Das Interesse an Systemen und Ordnungen, deren Regeln sowie die Abweichungen davon stehen im Zentrum der Arbeiten von Regula Michell (*1960, lebt und arbeitet in Zürich). Bewegung und Stillstand, transitäre Zonen und Zwischenräume sind ebenso prägend für ihre Arbeiten wie eine materiale Prägnanz, die sich zwischen bewusster Auswahl und Pragmatismus bewegt. Michell bevorzugt Materialien wie Karton und Papier, Textilien und Holzabschnitte einerseits aufgrund ihrer einfachen Handhabbarkeit; andererseits ergeben sich aus technisch bedingten Anforderung auch ungeplante, aber doch geschätzte «Regelbrüche».
Die Wandobjekte im Triemli-Spital gehen auf einen Atelieraufenthalt in Nairs zurück. Während der Zufahrten ins oder aus dem Bündnerland fielen Michell in der Linth-Ebene die markanten Volumina der Scheunen ins Auge: schnörkellos, kompakt und reduziert, einfache Kuben, die in flache Landschaft «hineingesetzt» sind. Das Modellhafte dieser Gebäude gab Anstoss zur Beschäftigung mit Miniaturisierung, Bausätzen und spezifisch technischen Darstellungsformen wie der Abwicklung. Aus dem perspektivisch «verzogenen» Baukörper entwickelte Michell eine Wandarbeit, bei deren Gestaltung sie sich bestimmte Regeln auferlegte: hinsichtlich der Häufigkeit einer Farbe, der «Anschlüsse» etc. Dieser bunte geometrische Fries stellt für die Wandobjekte den Ausgangspunkt dar. Mit einer rechteckigen Schablone im Format (25 x 22 x 4 cm) maskiert die Künstlerin – wiederum unter Anwendung spezifischer Regeln – flächige Farbkompositionen, die sie dann in dreidimensionale Objekte transformiert. Der «originale» Ausschnitt wird aber nicht nur ins Räumliche gewendet, sondern auch material neu interpretiert. So kommen auf dem Kartonträger verschiedene Folien zum Einsatz, deren Farbigkeit und Oberfläche vom «Original» abweichen.
Will man Regula Michells künstlerischen Prozess kulturtheoretisch verorten, so drängt sich des Verfahren der Bricolage, wie es Claude Lévi-Strauss in seiner Abhandlung La pensée sauvage (1962) formuliert hat, auf. Genauer gesagt der schweifende, sammelnde Blick in Sachen Materialwahl, eine taktile Vertrautheit, das unbekümmerte Montieren sowie der ergebnisoffene Ausgang des Prozesses. Vor diesem Hintergrund sind Michells Arbeiten immer auch Versuchsanordnungen, worauf auch viele der Titel verweisen. Sie sind trotz materialer Präsenz immer in einem Zustand von temporärer Uneindeutigkeit, konzeptuell verankert und doch latent von der Möglichkeit der Verwandlung durchzogen.